Bemerkenswerte Schnecken

Bemerkenswerte Schnecken

Gastropoden für das Wirbellosenaquarium – die Gattung Brotia

Text & Fotos: JENS KÜHNE


Schnecken in der Aquaristik sind allgemein etwas aus dem Trend. Das liegt sicherlich zu einem hohen Grad an der Illegalisierung der südamerikanischen Apfelschneckengattung Pomacea durch behördliche Instanzen. Viele Aquarianer beschäftigten sich vor allem mit den Farbformen von Pomacea diffusa – das Selektieren hübscher Farben machte Spaß. Die Einführung der Riesenturmdeckelschnecken der Gattung Tylomelania trug sicherlich zu einem Aufschwung der Beliebtheit von aquaristisch haltbaren Wasserschnecken bei. Ich möchte an dieser Stelle anknüpfen und einige schöne und haltbare Arten der verwandten Gattung Brotia vorstellen.

Die Gattung Brotia, oder umgangssprachlich Riesenturmdeckelschnecken, bietet eine Reihe von haltbaren Arten. Da hierzu auch die Zucht gehört, sollen hier Arten vorgestellt werden, die dem Aquarianer über Generationen erhalten bleiben. Nur wenige Arten dieser attraktiven Gattung reproduzieren sich nicht im Aquarium.

Brotia pagodula vom Salweeneinzug kann auch attraktive Weichkörper zeigen.
B. herculea aus einem kleinen Bach im westlichen Tenasserim-Gebirge.

Die Verfügbarkeit von Brotia im Handel dagegen ist eher schwierig. Manche Internetanbieter offerieren aber einige seltene Arten. Der Großteil lebt im Festland Südostasiens. Der Hotspot der Verbreitung liegt in Thailand, und somit hat der reisende Aquarianer sogar eine einfache Möglichkeit, eine oder mehrere seiner Lieblingsarten selbst im Urlaub zu beobachten.

Die Gattung Brotia (H. Adams, 1866) wird innerhalb der Familie Pachychilidae (Troschel, 1857) geführt und ist in der Aquaristik gerade durch die bizarr geformte Brotia pagodula (Gould, 1847) gut bekannt. Bei der Feldarbeit sowie der Identifizierung einzelner Arten innerhalb der Familie Pachychilidae kommt der Interessierte an den Autoren Köhler & Glaubrecht (2006) nicht vorbei.

Die Bestimmung ist nicht immer einfach. Die Schwierigkeit liegt an den vielen ähnlichen Spezies innerhalb der Gattung Brotia und der im selben Gebiet vorkommenden Artenzahl der Gattungen Sulcospira (Troschel 1858), Pseudopotamis (Mertens 1900), Paracrostoma (Cossman 1900), Adamietta (Brandt 1974) und Jagora (Köhler & Glaubrecht 2003). Sie alle sehen, um es profan auszudrücken, ähnlich wie Turmdeckelschnecken aus.

Die Abtrennung der Gattung Jagora, deren Arten vorher zu Brotia gehörten, bringt mehr Klarheit in die bei Brotia verbliebenen Arten. Weil noch unbestimmt ist, ob es weitere Abspaltungen geben wird, teilt man zwei Gruppen ein: die Brotia-pagodula- und die Brotia-testudinaria- Artengruppe. Von Köhler (2004) wird vorgeschlagen, die Arten um B. testudinaria in die Gattung Adamietta zu verschieben.

Nach heutigem Kenntnisstand besitzt die Gattung Brotia demnach 35 Arten, deren Verbreitung von den Vorgebirgen des südlichen Himalaja in Indien, Bangladesch, Myanmar und Thailand bis nach Laos und sogar Vietnam reicht. Von der Halbinsel Malaya sowie den Inseln Sumatra und Java sind auch einige Arten beschrieben worden. Die Vorkommen von Borneo müssten neu bestätigt werden, da sie zeitlich weit zurückliegen (B. borneensis).

Der Mae Nam Kaek ist ein über weite Strecken durch Sandstein führender Fluss, der über Kaskaden zum Mae Nam Nan abfällt.

Von großen Teilen Indochinas sind keine Vorkommen bekannt. Möglicherweise ist das nicht auf ein Fehlen der Gattung, sondern auf noch nicht geleistete Feldarbeit zurückzuführen. Brotia ist auch nicht von den Philippinen und Sulawesi bekannt. Auf Sulawesi lebt die verwandte und aquaristisch interessante Gattung Tylomelania.

Viele hübsche Arten findet man in Thailand und da manchmal drei oder vier Arten in einem Fluss. Somit beginne ich mit der Vorstellung der Arten in Nordthailand am Mae Nam Kaek, einem Zufluss des Mae Nam Nan, der letztendlich in den Chao Phraya mündet. Ein interessantes Gebiet, um Riesenturmdeckelschnecken zu finden.

Wenn das Leitungswasser nicht über 30° GH besitzt, verlieren die B. herculea bald den Kalküberzug, was den Schnecken keinen Schaden zufügt.
B. herculea aus Flüssen, die wenig Minerale führen.


Regelmäßig Nachwuchs

Der Mae Nam Kaek ist so etwas wie das El Dorado für Wissenschaftler und Hobbyisten, was die Riesenturmdeckelschnecken angeht. Der Veröffentlichung von Köhler et. al. (2008) ist zu entnehmen, dass man im Einzug des Flusses neun Arten finden kann. In den angrenzenden Regierungsbezirken Phitsanulok und Phetchabun kommen noch wenigstens fünf weitere Spezies dazu.

An dieser Stelle interessiert vor allem Brotia armata, die wie B. pagodula ein Haus mit Dornen besitzt, was solche Arten visuell äußerst interessant erscheinen lässt. Dazu kommt noch der schön gezeichnete und farbige Weichkörper, den Mitglieder der gesamten Familie zeigen.

In Südostasiens Flüssen hat man schnell ein paar interessante und hübsche Brotia sp. im Kescher.
An fast allen (Brotia-)Flüssen in Nordthailand findet man auch die Wasserkelche der Cryptocoryne-crispadula-Gruppe.

B. armata hält sich im Aquarium sehr lang und bringt bisher regelmäßig Nachwuchs. B. pagodula hielt ich bisher noch nicht über lange Zeit und kann deshalb nicht bestätigen, ob sich diese Art dort genauso lange fortpflanzt. Im Süden Thailands, im Regierungsbezirk Satun, fand ich eine der B. armata ähnliche Art, die aber bisher noch keinen Nachwuchs produzierte. Es könnte sich um B. kelantanensis handeln. Eine weitere häufig auffindbare Art des Mae Nam Kaek ist B. binodosa, die sich zwar ebenfalls gut vermehrt, aber nicht ganz so attraktiv erscheint.

B. binodosa und Pracht-Plattschmerlen (Pseudohomaloptera sexmaculata) vom Mae Nam Kaek. Schnecken und Fische lassen sich gut vergesellschaften.

Weitere interessante Riesenturmdeckelschnecken in Nord- wie Südthailand sind Arten mit großem Gehäuse und schön gezeichnetem Weichkörper. Ganz oben auf der Liste steht damit die Art Brotia herculea. Wie der Name schon verrät, kann diese Schnecke äußerst groß werden. Zudem vermehrt sich diese Schnecke sehr willig.

Die Jungschnecken, die, wie bei allen Arten der Gattung, lebend geboren werden, brauchen aber wenigstens drei Jahre, um eine ansehnliche Größe zu erreichen. Das Verbreitungsgebiet ist recht groß und beginnt im Regierungsbezirk Kanchanaburi und geht bis hin zum Regierungsbezirk Mae Hong Son im Norden. Sicherlich findet sich die Art auch im angrenzenden Staat Myanmar.

Obwohl man das nicht immer sieht, besitzen die Wasser dieser Flüsse Härtegrade und gelöste Mineralien.
B. herculea aus einem Karstfluss mit sehr hohem Gehalt an gelöstem Kalk im Wasser – frisch in das Aquarium überbracht.


Hübsch und groß

Auf der Halbinsel Malaya dominieren unter anderen zwei Arten (Kühne, 2012): Die wenig variierende Brotia peninsularis und B. epicopalis, die wiederum oft genug gerade mit der Farbe des Weichkörpers angenehm überrascht. Beide Arten vermehren sich ebenfalls willig. Ausgehend südlich vom Isthmus von Kra Buri bis in den nördlichen Teil von Westmalaysia hat sich B. peninsularis fast lückenlos über die Halbinsel verbreitet.

Nordthailand hat Kontinentalklima und ist über weite Zeiträume im Jahr recht trocken und kühl, im Hintergrund Ausläufer des Phetchabun-Gebirges, von dem der Mae Nam Kaek abfällt.
Viele Flüsse in Südostasien sind von Karstgebieten beeinflusst.

Ein Neunachweis für die Halbinsel Malaya gelang mir mit der Art Brotia dautzenbergiana. Im Regierungsbezirk Satun, nahe der malaysischen Grenze, befindet sich der Nationalpark Thale Ban. Die hübsche und recht groß werdende Schnecke lebt in Weichwasserflüssen sympatrisch mit B. peninsularis zusammen. Das Gehäuse ist langgezogen und besitzt eine Spiralzeichnung, die ebenfalls junge B. peninsularis aufweisen, deshalb muss man im Fluss genau suchen, um B. dautzenbergiana zu finden, die aber letztendlich über sechs Zentimeter lang wird.

Die recht kurze Schnecke B. peninsularis hat meist einen orange gefleckten Weichkörper über samtschwarzem Grund.
Brotia episcopalis werden fast so lang wie B. herculea.
Im Taman Negara fand ich noch diese bemerkenswerte Riesenturmdeckelschnecke: Melania heros.
B. armata, das Wasser ihres Biotops führt nur wenig Mineralstoffe, somit sind die Gehäuse dieser Schnecke leider starker Erosion ausgesetzt.

Im Taman Negara, zentral gelegen im Staat Westmalaysia, fand ich noch eine bemerkenswerte Riesenturmdeckelschnecke, die in der Gattung Melania geführt wird. Diese wird noch größer als B. herculea und besitzt attraktive Höcker auf dem Gehäuse: Melania heros.


Literatur

KÖHLER, F. & M. GLAUBRECHT (2006): A systematic revision of the southeast Asian freshwater gastropod Brotia (Cerithioidea: Pachychilidae). Malacologia 48 (1-2): 159-251

KÖHLER, F. & C. DAMES (2008): Phylogeny and systematics of the Pachychilidae of mainland South-East Asia – novel insights from morphology and mitochondrial DNA (Mollusca, Caenogastropoda, Cerithioidea). Zoological Journal of the Linnean Society 157: 679-699.

KÜHNE, J. (2012): Riesenturmdeckelschnecken. AF 227: 60-65