Axolotl: Der beliebteste Lurch der Welt

Axolotl: Der beliebteste Lurch der Welt

Helfer in der Hungersnot und Forschungsobjekt

Text & Fotos: DANIEL KONN-VETTERLEIN


Menschen in Europa bekamen diese, mittlerweile nicht wegzudenkenden Schwanzlurche
zum ersten Mal um 1804 zu sehen. In diesem Jahr zumindest brachte Alexander von Humboldt die ersten konservierten Exemplare mit auf den Kontinent. Was damals als „Kuriosität der Natur“ betrachtet wurde, und für die Forschung in den nächsten Jahren zu einem Lieblingsobjekt werden sollte, ist heute fester Bestandteil der Aquaristik und weltweit der am häufigsten gepflegte Schwanzlurch in Menschenobhut.

Nicht nur die Kolumne von Jens Crueger brachte mich dazu, der Art Ambystoma mexicanum diesen Platz einzuräumen, denn ihre frühe Geschichte und damit einhergehende Entdeckung sind eine spannende Angelegenheit, über die es sich lohnt, ein bisschen zu spekulieren.

Zunehmend beliebt ist die gold-gesprenkelte Form.

A. mexicanum ist heute im Xochimilco- und Chalco-See in Zentralmexiko endemisch. Die Seen sind durch künstliche Kanäle und angelegte Gewässer verbunden, wodurch sich eine Gesamtoberfläche von ungefähr 40 km2 ergibt. Das Einzugsgebiet des Systems umfasst landwirtschaftlich und touristisch genutzte Flächen sowie Randbezirke der südlichen Mexiko-Stadt. Auf Satellitenbildern sieht es aus, als lebten Axolotl in einem Stadtpark, und zwar mitten in der Millionenstadt. Dementsprechend ist es um den Status in freier Wildbahn bestellt.

Einige mexikanische Wissenschaftler (Contreras et al. 2009) geben die bekannten Populationszahlen des Axolotls wie folgt an: Von 2002 bis 2003 fand man vor Ort 23 Individuen, die bis zu 4 km voneinander getrennt nachgewiesen wurden. In einer Folgestudie wurde 2005 bis 2006 nur ein einziges Individuum gefunden. An keinem der zuvor positiv beprobten Biotope wurde dabei ein Neufund registriert. Andere Wissenschaftler (Zambrano et al. 2009) publizierten darauf basierend Hochrechnungen und gaben die Population auf den Quadratkilometer an. Für 1998 waren es ca. 6.000 Individuen/km2, für 2004 noch 1.000 Individuen/km2 und für 2008 lediglich 100 Individuen/km2. Nimmt man die oben genannten 40 km2 als Grundlage, so ergibt sich für heute eine Schätzpopulation von 4.000 wildlebenden Individuen.

Die weiße Zuchtform erlaubt sogar Einblicke ins Innere der Tiere.

Der Rückgang der Wildpopulation ist Anlass für zahlreiche Zuchtprojekte, Forschungsstudien und Fernsehberichte. An der drastischen Situation ändert sich dadurch allerdings nichts zum Positiven. Darauf macht seit einigen Jahren auch der Zoologische Garten von Chapultepec in Mexiko aufmerksam. Dabei wird insbesondere auf die historische Bedeutung des Schwanzlurchs hingewiesen, denn bereits die Azteken hatten ein intensives, wenn auch etwas ambivalentes Verhältnis zu der Art. Ihr Gott Xolotl, der Gott des Blitzes, Todes und Unglücks, verwandelte sich zum Schutz seines Lebens eines Tages in den Schwanzlurch und entging so seiner Opferung. Einerseits galt der Axolotl daher als heilig, andererseits auch als Delikatesse bei
Festivitäten. Vermutlich begann schon damals der Rückgang der Population, auch wenn es natürlich keine Bestandsaufnahmen aus dieser Zeit gibt, auf die man sich heute berufen könnte.

Vier Tage nach der Ablage lassen sich bereits deutliche Veränderungen erkennen.

Die Eihülle ist klebrig, sodass sich Detritus ansammelt. Die Larve ist dennoch ideal geschützt.

Ein nur um Stunden älteres Jungtier scheint auf den Schlupf eines anderen zu warten.

Die Eier sind verhältnismäßig groß und widerstandsfähig gegenüber Störungen.

Während der Eroberung Mexikos von 1485 bis 1547 spielt das Verbreitungsgebiet des Axolotls eine immense historische Rolle, denn die wichtigste Aztekenstadt, Tenochtitlán, befand sich genau dort, wo die Lurche lebten und wo sich heute Mexiko-Stadt er streckt. Hernán Cortés, ein spanischer Entdecker, schildert die Stadt in Briefen an das Königshaus als inmitten von Seen gelegen und nur durch Dämme sowie schmale Stege erreichbar. Sie war der Vorgänger der heutigen Mexiko-Stadt. Über jene Zugänge gelangte Cortés in die Hauptstadt des Reiches und zu seinen Seiten lebten sehr wahrscheinlich mehr Axolotl als jemals danach.

Die Eroberungsgeschichte der Stadt ist lang und dabei in Teilen nur lückenhaft überliefert. So berichtet Cortés, dass die Stadt lange und intensiv belagert wurde, um die Azteken auszuhungern und sie so zur Aufgabe zu zwingen. Die Azteken aber nutzten die Dämme und Stege, um intensiv zu fischen und entgingen so lange einer Hungersnot. Hierbei wurde auch vor Axolotl nicht halt gemacht, und vielleicht markierte die Belagerung durch die Spanier damit den ersten nennenswerten Populationsrückgang des Axolotl.

Aus dieser komprimierten Reise in die Historie des populären Schwanzlurches lernen wir, dass Arten mit dem Aussterben beginnen können, noch bevor wir sie überhaupt ernsthaft wahrgenommen haben. Außerdem, dass die Aquaristik ein Hobby ist, das Arten erhält, die es ohne die intensiven Bemühungen vieler sonst vielleicht schon nicht mehr geben würde.

Literatur
Contreras V., Martínez-Meyer E., Valiente E. & Zambrano L., 2009: Recent decline and potential distribution in the last remnant area of the microendemic Mexican axolotl (Ambystoma mexicanum), Biological Conservation, Volume 142, Issue 12, Pages 2881-2885, ISSN 0006-3207.

Zambrano, L., Contreras, V., Mazari-Hiriart, M., Zarco-Arista, A.E., 2009: Spatial heterogeneity of water quality in a highly degraded tropical freshwater ecosystem. Environmental Management 43, 249-263.


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