Erfahrungsbericht über eine potenzielle „Pestschnecke“ als Nützling
Text & Fotos: ULLI BAUER
In meinem jüngsten frisch eingerichteten Soil-Aquarium kümmerte die Bepflanzung anfangs stark – ich hatte die In-vitro-Cups falsch gelagert und die schwächelnden Pflanzen trotzdem versuchsweise eingesetzt, frei nach dem Motto: „Ein Guter überlebt’s!“. Leider gab es dadurch ziemlich viel absterbende Biomasse im Becken und nur einige wenige tapfere Überlebende. Tiere hatte ich noch keine eingesetzt.
Hilfe, eine Algenplage!
Schnell machten sich Blaualgen breit. Dicke blaugrüne Beläge überzogen die Steine, den Bodengrund, sogar die wenigen Pflanzen, die zögerlich anfingen, auszutreiben. Leider sind Blaualgen ziemlich fiese Zeitgenossen, die das Wachstum höherer Pflanzen hemmen können. Meine arg gebeutelten Gewächse im Aquarium wollte ich nicht auch noch einer Dunkelkur aussetzen – die übliche Vorgehensweise gegen Blaualgen hätte vermutlich auch noch den letzten tapferen Überbleibseln den Garaus gemacht.
Eine kleine Blasenschnecke im Aquarium.
Fressfeinde einsetzen
Die Blaualgen allerdings auch, also was tun? Ich entsann mich einer Studie, die ich vor längerer Zeit gelesen hatte, in der nachgewiesen wurde, dass sich Blasenschnecken der Gattung Physa besonders gerne über Blaualgen hermachten, und ging in meinen anderen Aquarien mal gucken. Dort tummelt sich neben einigen anderen Aquarienschnecken jeweils eine kleine Blasenschneckenpopulation, die sich grade so hält. Bald hatte ich etwa 10 bis 20 ca. 3-4 mm kleine Schneckchen gefunden, die ich in das blaualgengeplagte Aquarium setzte.
Blaualgen im niedrigen Wasserteil eines Wabi-Kusa-Pflanzenglases.
Blasenschnecken
Die Gattungen Physa und Physella vermehren sich bei gutem Nahrungsangebot sehr gut, entsprechend schlecht ist ihr Ruf in der Aquaristik. Ein Gelege kann bis zu 50 Eier enthalten, und die Schnecken können in fetten Zeiten bei entsprechenden Temperaturen alle paar Tage ein solches ablegen. Gefressen werden alle Arten von Algenbelägen, Futterresten, Pflanzenresten und Aas. Sie tolerieren sehr weiches bis sehr hartes Wasser und ein weites Temperaturspektrum.
Die hellen Flecken auf dunklem Grund sind charakteristisch. (Foto: Garnelio)
Ohne Mampf kein Kampf
Die Blasenschnecken in meinem Problemaquarium wuchsen rasant und erreichten innerhalb weniger Wochen einen knappen Zentimeter Gehäuselänge. Unzählige Gelege zierten die Scheiben, und in den Blaualgen waren deutliche Fraßspuren zu sehen.
Das Aquarium war innerhalb von sechs Wochen praktisch blaualgenfrei, die Pflanzen begannen wieder zu wachsen, die Bepflanzung wurde ergänzt. Die Blasenschneckenpopulation hat mangels Nahrungsüberschuss aufgehört zu explodieren; mittlerweile sieht man nur hin und wieder einmal ein Gelege, und auch die Zahl der sichtbaren Schnecken hat sich der Nahrungsmenge gemäß eingependelt.
Das Gelege der Blasenschnecke ist schwammig und wirkt oft etwas unförmig. (Foto: Garnelio)
Dunkelkur – wie wird’s gemacht?
Eine sogenannte Dunkelkur wird gegen Blaualgen (Cyanobakterien) und Grünalgen empfohlen. Dazu wird das Aquarium 7 bis 14 Tage lang komplett abgedunkelt: Die Aquarienbeleuchtung wird abgeschaltet, und jeglicher sonstiger Lichteinfall wird durch dunklen Stoff oder Pappe verhindert. Eine gute Belüftung mithilfe eines Sprudelsteins ist in dieser Zeit sehr wichtig. Die CO2-Zufuhr wird abgestellt, Düngung und Fütterung eingestellt. Vor Beginn der Dunkelkur werden sichtbare Algen so gut wie möglich abgesammelt oder abgesaugt. Der Lichtentzug schwächt alle Fotosynthese betreibenden Lebewesen, die Algen mehr als die Aquarienpflanzen. Eine Dunkelkur wird nur so lange durchgeführt, bis die Algen verschwunden sind, hin und wieder wird daher kurz das Licht eingeschaltet, um den Zustand zu kontrollieren. Dabei können die Aquarientiere auch gleich gefüttert werden.
Nach der Dunkelkur sollte ein großer Wasserwechsel stattfinden, um die organische Belastung durch die abgestorbenen Algen zu minimieren. Das Auftreten von Algen hat immer eine Ursache, die durch die Dunkelkur nicht behoben wird. Häufig liegt dem ein Ungleichgewicht bei den Nährstoffen zugrunde, darum sollte danach die Aquariendüngung optimiert werden.
Eine Blasenschnecke knuspert einen Blaualgenbelag von einer Anubias.
Literatur
LINDER, Julia (2018): Freshwater Snail Feeding Behavior Response to Algae Grown in Excess Nutrient Levels. University of Michigan Biological Station: EEB 3 81 General Ecology, Prof. Pillsbury