„Danke, Chef!“ Ein Weihnachtskind mit Pottschnauze

„Danke, Chef!“ Ein Weihnachtskind mit Pottschnauze

Lou Herfurth erinnert in einem persönlichen Nachruf an den Zoohändler Norbert Zajac

Text: LOU HERFURTH
Fotos: OLIVER MENGEDOHT, Titelfoto: HARRO HIERONIMUS


„Ich führe einen Zooladen, ich bin Kummer gewohnt“, war wohl einer der häufigsten und prägendsten Sätze, die mir Norbert Zajac offenbarte. Und recht hatte er oft. Auch mit seiner Ansage an mich, dass ich in den nächsten sechs Monaten meiner Facebook-Freundesliste beim Schrumpfen zusehen könne, sobald ich hier den Kescher schwingen und mich in einen Meerwasseraquarioten verwandeln würde. Was aber war das mit Zoo Zajac, weswegen ich nicht schreiend die Flucht ergriffen habe?
Mit etwas Hang zum Wahnsinn habe ich mir mein Abenteuer seinerzeit quasi ausgesucht. Alles fing an, als ich ihn anschrieb, was es eigentlich mit diesem umstrittenen Welpenverkauf auf sich habe – ich wollte mir mein eigenes Bild machen. Zwölf Stunden später saß ich ihm persönlich gegenüber mit einem Kaffee in der Hand und erhielt eine Privataudienz, die sich gewaschen hatte, bei der ich versehentlich mit einem Arbeitsvertrag nach Hause ging! Hinterher war ich schlauer als der quakende Rest, denn er erklärte mir jedes noch so kleine Detail.

 

Eisfischen in Grönland

Ahnung vom Meerwasser hatte ich keine, doch er betonte, dank meiner Peripherie würde ich das schon in sechs Monaten wuppen. Der Chef hatte mit vielem recht. Er konnte nicht nur Geschichten übers Eisfischen in Grönland erzählen und mich früher in den Feierabend schicken, damit ich noch angeln gehen konnte. Er war auch einer derer, die mir beibrachten, einen Traum zu verfolgen, wenngleich das Risiko unerträglich groß ist.
„Hätte ich meinen Traum aufgegeben, würdest du dir morgen früh kein Marmeladenbrötchen schmieren.“, sagte er dann. „Hätte schief gehen können, ist auch schief gegangen, aber wir sind ja immer noch hier und deswegen machen wir weiter.“ Die Zahl der Menschen, zu denen ich aufblicke und die mich wirklich beeindrucken, lässt sich an einer Hand abzählen: Norbert Zajac ist einer davon. Einer, der sonntagmorgens den roten Porsche mit 240 Sachen über die Bahn peitschte und seine Mitarbeiter mit zum Brunch ins Strandrestaurant nahm. Einfach mal so.

 

 Norbert Zajac albert im Jahr 2010 auf seiner lange erfolgreichen Messe in Duisburg mit Chris Lukhaup herum.

Über Jahre der Szenetreffpunkt im Westen Deutschlands: Die Zajac-Messe im Landschaftspark Duisburg-Nord.

 

Hart aber herzlich

Zajac war Kapitän, der sein riesiges Schlachtschiff durch jeden Sturm brachte und dabei auch noch den Kurs kannte. Einer, der jeden nur allein durch sein Vorleben zum Salutieren brachte. Der einen frischen Zander zu schätzen wusste und einen Ramazzotti in guter Gesellschaft. Einer, der vor allem auch auf Charaktere stand, auf Menschen mit Standing und Biss, und dabei hart, aber herzlich blieb.
Norbert Zajac war ein Mann, der nicht nur forderte, sondern auch förderte, und dabei der gesamten Branche vorausschritt. Einer, der mich von internationalen Importlisten Tiere bestellen ließ, die ich in meinem ganzen Leben nie wieder in meinem Aquarium hatte. Der Chef war ein Weihnachtskind, denn da hatte er Geburtstag. Auch war er selten um seine Pottschnauze verlegen und wusste am Samstagabend schon, welche Laune er am Montag hatte, denn immerhin führte er mit der Chefin ein Umsatz-Wettspiel, das seinesgleichen suchte.
Norbert Zajac ist zu Lebzeiten Tausende Tode gestorben und hat den Sensenmann geradezu zur Weißglut getrieben. Doch es war nur ein winzig kleiner echter nötig, um diesen großartigen Mann aus unserer Mitte zu reißen. Mitten in der Nacht erhielt ich eine WhatsApp: „Der Chef ist gestorben.“ Und lag selbst nach meiner Operation zugedröhnt mit Oxycodon und Morphium in der Klinik und dachte zuerst an einen schlechten Scherz. Der Chef ist doch unsterblich.
Seine Tiere haben ihn geschlagen, getreten, gebissen, sie haben ihn vergiftet, angegriffen und trotzdem geliebt. Er war Kummer gewohnt. Und er kannte sie alle mit Namen. Einige davon waren sogar Hauptdarsteller im Dschungel-Camp oder im Quelle-Katalog: Grillen, Schaben und das Faultier Fridolin.

 Autorin Lou Herfurth (links) während ihrer Zeit bei Zoo Zajac mit Kunden. Foto: privat

 

Ein Tierfreund

Norbert Zajac war ein Tierfreund. Einer, der dafür sorgte, dass mitgebrachte Hunde auf Demonstrationen vor seiner Filiale mit Wasser versorgt wurden, deren Herrchen aber nicht zum Pinkeln in den Laden durften. Wenn er mit seinem Scooter durch die Gänge flitzte, war allein dieses Geräusch Vorwarnung genug. Für alles und alle.
Norbert Zajac war einer derer, die Desinfektionsmittel verteilten und eine stündliche Desinfektion der Toilette veranlassten, sobald auch nur ein Mitarbeiter sich mit Magen-Darm meldete. Der Chef war derjenige, der Verletzungen dokumentieren und behandeln ließ und der sogar seinen Mitarbeiter persönlich zum Zahnarzt brachte. Einer, der mir den Firmentransporter auslieh, um meine neue Küche abzuholen.
Norbert Zajac war einer, der Wert auf intelligente Kommunikation wie auf Mitarbeitergespräche legte und einer, der begeistern und mitreißen konnte. Und doch zählt diese Legende für mich zu dieser rätselhaften Spezies Mensch, die zeitlebens niemals Radio oder Musik hörten, kein Instrument spielten und kein fern sahen. „Wir sind hier nicht auf dem Karneval, auch wenn man´s oft meint“, sagte er dann und ließ den Blick durch die Gänge schweifen. Dafür konnte er aber YouTube. Und vor laufender Kamera Tauwürmer essen.

„Norberts Welt“: Auf YouTube war der Tierliebhaber mit seinem Kanal und inzwischen fast 800 Videos längst ein richtiger Star.


Hätte der Chef einen Nachruf gewollt? Fast würde ich meinen, er hätte gesagt, „bevor hier einer irgendwem hinterher ruft , wird noch das Aquarium geputzt.“ Sämtlichen Widerständen zum Trotz blieb Norbert Zajac seinem unerschütterlichen Mut, seinem Glauben an sich selbst und seinem Lebenswerk treu und ist zu Recht eines der größten Vorbilder in der Geschichte der Heimtierhaltung.
Meine Gedanken und meine Trauer sind bei seiner Familie, bei meinen Kollegen in Duisburg. Mit Stolz darf ich zurückblicken, einem solchen Unikat begegnet zu sein und heute im Leben dort zu stehen, wo ich bin.
Danke, Chef!

Das Unternehmenslogo ziert die ehemalige Fabrikhalle in Duisburg-Neumühl.