Ein hübscher „Borstenkrebs“

Ein hübscher „Borstenkrebs“

Für Procambarus llamasi aus Südmexiko und Guatemala wurde auch der Name „Yucatan-Gelbbandkrebs“ vorgeschlagen

Text & Fotos: UWE WERNER


Garnelen und Krebse sind häufig skurrile Gestalten, was auch für den Mittelamerikaner Procambarus llamasi gilt. Wegen seiner Herkunft ist er für die Aquarienhaltung zudem gut geeignet, da er auch auf Dauer höhere Temperaturen verträgt.
Aus dem mexikanischen Bundesstaat Chiapas brachte ich ein paar kleine Cambariden mit, die ich bei Teapa in einem Bach (pH 7,5, 10 °dGH und 16 °KH; 23 °C) gefunden hatte, dessen Boden dicht mit verrottenden Zweigen und Blättern bedeckt war. Schon zwei Monate später hatten sie sich im Aquarium prächtig entwickelt und gaben sich als Procambarus llamasi zu erkennen. Die Art kommt laut Hobbs (1972) in Guatemala und in den Bundesstaaten Campeche, Chiapas, Tabasco, Veracruz und Yucatan in Mexiko vor.

Hier lugen zwei Männchen aus ihrem Unterstand.


Farben variieren

Diese Art stellt unter den amerikanischen Arten eine Besonderheit dar, weil ihre Scherenfinger bei erwachsenen Tieren, vor allem den Männchen, mit auffälligen Borsten bewachsen sind. Beide Geschlechter sind mit Körperlängen um 85 mm ausgewachsen. Ihr Brustpanzer ist im vorderen Bereich stark zusammengedrückt und seitlich bedornt.

Diese Zeichnung aus Villalobos (1983) zeigt eine Scherenhand eines Männchens mit den Borsten (oben) und eine, von der die Borsten entfernt wurden.


Hinter den Augen befinden sich zwei längliche, leistenförmige Erhebungen, die
vorn spitz enden. Der Stirnfortsatz ist an der Basis breit, hat an den Seiten je eine „Rille“ und ist an der Oberseite glatt. Die Scherenarme sind, zumindest bei den Männchen, so lang wie der Körper, wobei das dritte Glied und das erste Glied besonders lang sind. Das zweite Glied ist dagegen kurz. Bei den Männchen sind die vordersten Schwimmfüße zu zwei nach vorn gerichteten und seitlich abgeflachten Begattungsorganen umgewandelt.
Die Farben können offensichtlich variieren. Chris Lukhaup, dem die Art in Guatemala ins Netz gegangen war, hatte als deutsche Populärbezeichnung „Yucatan-Gelbbandkrebs“ vorgeschlagen. Gelb ist das leicht nach unten gebogene, helle Band von hinter dem Auge über den Carapax bei meinen Tieren aber nicht, sondern eher weiß.
Darunter ist der Panzer vorn dunkelgrün und weiter hinten dunkelblau. Die Kopfoberseite ist rotbraun, im Bereich der Nackenfurche blaugrün und dahinter braunviolett. Die Glieder des Hinterleibes sind ebenfalls braun-violett, wobei jedes Glied hinten blau gerandet ist. Der Schwanzfächer ist kräftig rotbraun.

Biotop von P. llamasi bei Pichucalco im nördlichsten Zipfel von Chiapas in Südmexiko.


Beborstet und behaart

Bei P. llamasi sind die Scherenfinger besonders auffällig, und zwar bei den Männchen mehr als bei den Weibchen. Sie tragen nämlich dicht stehende Borsten, auch Setae genannt. Ähnliche Borsten können sich auch an den unteren Gliedern des ersten Laufbeinpaares hinter den Scherenarmen befinden, doch ist das meist nur bei älteren Männchen der Fall.

Die Scherenhände eines alten Männchens.

Dies dagegen die weniger entwickelten Scheren eines jungen Männchens.

Erstaunlicherweise findet man nirgendwo eine Erklärung zur Funktion dieser Borsten. Zwar gibt es Vermutungen, dass sie eine sensorische Funktion haben  könnten und womöglich zum Ertasten feiner Futterpartikel dienen, doch würde das bedeuten, dass die schwächer beborsteten Weibchen den Männchen gegenüber im Nachteil wären.

Weibchen von P. llamasi haben deutlich weniger und schwächer entwickelte Borsten an den Scherenfingern.


Anspruchslose Allesfresser

P. llamasi sind Allesfresser, die sich in der Natur von Blättern, Rinde oder Holz, aber auch Kleinkrebsen, Würmern und Aas ernähren. Man sollte daher etwas Falllaub (etwa Buchenblätter) ins Becken geben und ihnen pflanzliche Nahrung (gefrosteten Spinat, Salat, aber auch Blätter und Zweige aus dem Gartenteich) anbieten.
Ansonsten kann man jedes gängige industriell hergestellte Futter reichen, sollte aber auch fleischliche Kost (Frostfutter wie Mysis oder Krill, Muschel- und Fischfleisch, kleine Regenwürmer, Artemia etc.) zufüttern. Ihr Aquarium kann man nur mit härteren Gewächsen wie Javafarn bepflanzen. Auch Schwimmpflanzen fressen die Tiere nicht.
Wegen ihrer Herkunft stellt die Art keine hohen Ansprüche an die Wassertemperatur, weshalb man sie auch in unbeheizten Aquarien halten kann, wenn diese im Winter in beheizten Wohnräumen stehen. Jedenfalls vertragen sie 16 °C bis 28 °C, ohne Schaden zu nehmen. Die optimale Hälterungs- und Zuchttemperatur soll um 21 °C liegen.
Der pH-Wert des Wassers spielt wohl keine Rolle und darf zwischen 6,5 und 8 betragen. Ähnliches gilt für die Wasserhärte. Das Wasser sollte aber regelmäßig teilweise gewechselt und ausreichend bewegt oder belüftet werden und möglichst frei von Nitraten und anderen Gift en sein. Bei der Verwendung von Medikamenten muss man vorsichtig sein: Auf keinen Fall darf man kupferhaltige Mittel verwenden!


Friedlich und vermehrungsfreudig

Auch ihr friedlicher Charakter macht die Art zu einem idealen Aquarienpflegling. Nach meinen Erfahrungen kann man ohne Probleme mehrere Tiere in einer Gruppe halten, sofern hinreichend Versteckplätze angeboten werden. Natürlich ist dabei die Beckengröße nach der Anzahl der Tiere zu wählen. Für eine Gruppe von drei Männchen und sechs Weibchen reicht ein Aquarium mit einer Bodenfläche von 50 x 100 cm völlig aus.

Dieses adulte Männchen trägt seine Borstenhände vor sich her.

Mitunter kommt es auch zu kleinen Rangeleien im Aquarium.

Im Allgemeinen gehen die Revierkämpfe aber folgenlos aus.


Weibchen können größer werden als die Männchen und haben nicht so lange und starke Scherenarme. Auch die Scherenfinger sind kleiner und nicht so stark beborstet. Der Annulus ventralis, der die Spermien aufnimmt, ist außergewöhnlich gestaltet: Die mittlere Einkerbung hat im unteren Bereich die Form eines auf der Seite liegenden „S“, wobei auch Weibchen vorkommen, bei
denen diese „S-Kerbe“ spiegelverkehrt ausgebildet ist.
Nach Internet-Angaben soll sich die Art im Aquarium ohne Probleme mehrmals im Jahr fortpflanzen. Zur Paarung, die meist etwa eine Viertelstunde dauert, dreht das Männchen ein Weibchen auf die Seite oder den Rücken, sodass die Bauchseiten zueinander weisen. Dann gibt das Männchen sein Sperma ab, das Weibchen laicht aber noch keine Eier.
Das geschieht erst ein bis drei Wochen später an einem geschützten Platz. Indem es seinen Schwanzfächer nach vorn klappt und auch den Hinterleib nach vorn biegt, schafft das Weibchen einen geschützten Raum, in den es die Eier legt, die schon bald so fest an den Schwimmfüßen haften, dass man sie kaum ablösen kann. Für die Entwicklung der zwischen 60 und 100 Eier ist sauerstoffreiches Wasser günstig. Wird es zu wenig bewegt, schwenkt das Weibchen das Gelege am Hinterleib hin und her oder klettert gar in höhere Wasserschichten, weshalb man einen Durchlüfterstein installieren sollte.
Das Weibchen trägt die Eier und Larven vier bis fünf Wochen. Sind die Jungen voll entwickelt, verlassen sie ihre Mutter recht schnell. Alttiere stellen den Jungen nicht nach, sodass man die Kleinen in ihrer Gesellschaft aufziehen kann.


Literatur

HOBBS, H. H. JR. (1972): Crayfi shes (Astacidae) of north and middle America. Biota of Freshwater Ecosystems 9: 173 pp.
VILLALOBOS, A. (1983): Crayfi shes of Mexico (Crustacea: Decapoda). Amerind Publishing Co. Pvt. Ltd., New Delhi: 276 pp.