Ocypode ceratophthalma von den Seychellen
Text: ULLI BAUER / OLIVER MENGEDOHT
Fotos: Karina Schomburg
Die traumschöne Bucht Anse Forbans an der Südostküste der Seychellen-Insel Mahé wird von einem vorgelagerten Riff geschützt. Das Wasser ist daher sehr ruhig, es gibt keinen nennenswerten Wellenschlag, und es ist auch nicht besonders tief. Einst sollen hier Piraten vor Anker gegangen sein.
Der weiße Sandstrand der Anse Forbans ist aber ganz offenbar nicht nur bei den Touristen sehr beliebt, sondern auch bei diesen ganz besonderen Wirbellosen: Hier lebt die Gehörnte Geisterkrabbe Ocypode ceratophthalma. Dieses Krebstier mit den lustigen Augenstielen wird auch Hornaugen-Sandkrabbe oder Indopazifische Reiterkrabbe genannt.
Mimikry: Gehörnte Geisterkrabben können blitzschnell die Farbe ändern.
Die Gattung der Reiterkrabben umfasst 21 Arten; die Tiere werden auch Rennkrabben, Gespensterkrabben oder Geisterkrabben genannt. Sie bewohnen die Strände subtropischer und tropischer Küsten, vor allem im Pazifik, aber drei Spezies kommen auch im Atlantik und Mittelmeer vor.
Die Gehörnte Geisterkrabbe ist von Ostafrika über die Philippinen bis zum Great Barrier Reef in Australien verbreitet (neuerer Forschung nach könnte es sich bei dieser Form hier auch um eine noch unbeschriebene Art handeln, die bisher als O. ceratophthalma eingeordnet wurde). Sie wird bis zu 4 cm groß (Panzerbreite). Wofür die Hörnchen auf den Augen adulter Tiere dienen, ist übrigens nach wie vor unklar. Einen lateinischen Namen hat das Phänomen trotzdem: Exophthalmie (für hornäugig).
Ungewöhnlich sind die Hörnchen über den Augen bei dieser Geisterkrabbenart.
Ein Traumstrand mit Mangroven und weißem Sand – und interessanten Krabben.
Mit ihrem markanten Körperbau und den dicken Augen auf Stielen – nur sieben Arten
weisen allerdings die zusätzlichen „Hörner“ auf – sind sie ein echter Hingucker für Urlauber, für Aquarien oder Terrarien aber nicht wirklich geeignet. Wie bei Winkerkrabben ist das Spiel der Gezeiten nur schwer simulierbar, und der nötige Platz ist den Tieren nur schwer zu bieten.
Reiterkrabben bauen ihre einfachen bis teilweise auch sehr komplexen, bis zu 1,20 Meter tiefen Wohnhöhlen im Sand der Gezeitenzone, in bis zu 400 Meter Entfernung von der Hochwasserlinie. Darin finden sie Schutz vor dem Wasser, Raubtieren, dort paaren sie sich und verstecken sich nach der Häutung. Der Bau schützt außerdem vor Temperaturextremen, vor Kälte im Winter und vor Hitze an heißen Tagen.
Einige Arten tragen den Aushub mit ihren Scheren als kleine Sandkügelchen herauf oder türmen sie zu großen Kegeln auf – die gelten auch der Brautwerbung. An der Art, wie der Eingang geglättet und mit Kugeln gestaltet wurde, können Kundige die Krabbenart erkennen.
Die Krabben buddeln sich bei Gefahr blitzschnell ein.
huschende Geister
Nachts und bei Ebbe kommen sie heraus und suchen nach allem Nahrhaft en, was in die Scheren passt. In der Dunkelheit sind sie zumindest vor Fressfeinden aus der Luft, wie Möwen und anderen Strandvögeln, geschützt. Teilweise laufen sie in Massen von ihren Bauten zur Wasserlinie, was man im Englischen mit dem Begriff für Viehtreiben beschreibt, um dort nach Aas oder Algen zu suchen, aber kleinere Tiere werden auch gejagt und gefressen.
Eine Masse an Ocypode saratan läuft auf der Insel Sokotra zum Wasser. (Foto: Hardscarf/CC BA-SA 4.0)
Tagsüber können sie wie ein Chamäleon blitzartig ihre Farbe ändern, um sich dem Sand in der Umgebung zur Tarnung anzupassen, sie können schnell seitwärts laufen, was ihnen auch die Trivialnamen eingebracht hat, weil sie nachts an huschende Geister am Strand erinnern. Werden sie gestört, springen sie schnell in ihren Bau, ins Wasser oder graben sich fix ein, und sind verschwunden – fast wie durch Magie. Mit bis zu vier Metern pro Sekunde gelten sie als die schnellsten Krabben. Daher kommt übrigens auch ihr lateinischer Gattungsname, der sich aus dem lateinischen Ocy für schnell und podos für Fuß zusammensetzt.
Sie benötigen nur ab und zu Meerwasser, um ihre Kiemen zu befeuchten. Sie können aber auch Feuchtigkeit aus dem Sand aufnehmen, dazu haben sie nahe der Basis ihrer Laufbeine Haare, die das Wasser aus dem Boden per Kapillarkraft in den Körper transportieren.
Geisterkrabben befeuchten ihre Kiemen mit der Feuchtigkeit aus dem Sand.
Zur Kommunikation können diese Krabben sogar Laute erzeugen. Ähnlich wie manche Mangrovenkrabben (Sesarmidae) haben sie eine Art Plektron an den Scheren und Kammleisten an den Beinen: Wenn sie mit dem Stridulationsorgan gegen eine Leiste an der Unterseite ihres Beins streichen, erzeugen sie ein quietschendes Geräusch, das bis zehn Meter weit zu hören sein soll. Sie können blubbernde Geräusche mit den Kiemen hervorbringen, hauen die Scheren auf den Boden oder trommeln mit den Beinen. So können sie auch im Dunkeln um eine Partnerin werben. Ganz neu ist noch die Erkenntnis, dass sie außerdem ein Knurren erzeugen, indem sie mit den geriffelten Platten der „Magenmühle“ im Magen an einem Zahn reiben.
Rote Sandkrabbe (Ocypode macrocera) in Bangladesch mit Kügelchen um ihren Bau herum. (Foto: Arjit Chowdhury/CC BA-SA 4.0)
Literatur
DAVIE, Peter J. F. (2021): Crabs: A Global Natural History. Princeton/ Oxford, Princeton University Press, 224 pp. DOI: 10.1515/9780691230139
ORCHARD, Max (2012): Crabs of Christmas Island. Christmas Island Natural History Association, 299 pp.
WEIS, Judith S. (2012): Walking Sideways: The Remarkable World of Crabs. Ithaca/ London, Cornell University Press, 256 pp.