Heikos Wasserchemie

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Teil 2: Die Gesamthärte ist nicht das Gesamte, sondern nur ein Teil - alles klar?

Text & Fotos: HEIKO BLESSIN

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Bei Schulungsseminaren frage ich die Teilnehmer gerne beim Thema Gesamthärte, was das eigentlich sei. Die häufigsten Antworten lauten „die gesamte Härte“ oder „alle Mineralien im Wasser“. Leider falsch! Lassen wir die absolut korrekte chemische Definition einmal weg (Summe der Erdalkaliionen), sagt uns die Gesamthärte etwas über die Summe von vor allem Kalzium und Magnesium in unserem Wasser. Aber nicht getrennt, sondern als Summe beider Stoffe. Man könnte nun noch einen Magnesiumtest (JBL Proaquatest Magnesium Süßwasser) durchführen, dann den Magnesiumgehalt von der GH abziehen und man wüsste den reinen Kalziumgehalt. Aber was bringt uns das?
Wofür ist denn die Gesamthärte wichtig? Wie wir alle wissen, stammen unsere Aquarienbewohner aus allen Regionen der Erde, die so unterschiedliche Gesamthärtegrade haben wie wir in Deutschland. Unsere Ostfriesen zum Beispiel bekommen super weiches Wasser aus ihrem Wasserhahn und beispielsweise bei Nürnbergern tropft es nicht aus der Leitung, sondern es rieselt Kalk. Ist natürlich übertrieben, aber GH-Werte von 20 °dGH sind schon recht hart.

Diese Expeditionsteilnehmerinnen führen GH-Messungen im Schwarzwasser in Kolumbien durch. Ergebnis: 0 °dGH.

Tropfen zählen, bis die Farbe in Grün umschlägt. Tipp: Die Tropfenfarbe ist die zu erreichende Farbe.


Extrem geringe Härtegrade

In vielen tropischen Gewässern finden wir extrem geringe oder sogar gar keine Gesamthärtegrade (GH = 0 °dGH). In 90 Prozent aller in Kolumbien während zweier JBL-Expeditionen 2022 gemessenen Gewässer waren sowohl GH als auch KH bei 0 °! Wenn unsere Aquarienfreunde aus Nürnberg nun Fische aus sehr weichem Wasser pflegen wollen, ist dies bei vielen Fischarten trotzdem möglich, denn die Tiere sind in dieser Beziehung toleranter, als man glaubt. Nur bei der Zucht ist es dann nötig, die Härte auf naturähnliche Werte zu verringern.
Im Gegenzug finden Fische aus dem Tanganjikasee ihre neue Heimat in ostfriesischen Aquarien nicht so richtig optimal, da sie aus einem Wasser mit 11 °dGH stammen. Es ist aber sehr einfach, Wasser aufzuhärten. Mit speziellen Salzen, etwa JBL Aquadur Malawi-Tanganjika, kann jedes Wasser auf naturidentische Härtegrade angepasst werden. Sogar die Besonderheit der beiden ostafrikanischen Seen, dass ihre Karbonathärte höher ist als ihre Gesamthärte, kann durch Zugaben dieser speziellen Salze (niemals Kochsalz!) ganz einfach nachgebildet werden. Ursache für diese Besonderheit sind Natriumsalze, die nicht zur Gesamthärte zählen, wohl aber die Karbonathärte erhöhen.

Im Tanganjikasee finden wir einen GH-Wert von 11 °.

Was können nun unsere Nürnberger Aquarienfreunde machen, um ihr hartes Leitungswasser weicher zu machen? Sie haben eigentlich nur eine praktikable Möglichkeit: Sie brauchen eine Umkehrosmoseanlage zur Herstellung mineralarmen Wassers. Dieses Wasser kann der Hardcore-Aquarianer pur verwenden und geringe Spuren an Mineralien, etwa gegen das Auftreten von Lochkrankheit, mit einem „Osmosesalz“ zugeben. Oder aber er mischt sein Umkehrosmosewasser mit dem Leitungswasser, um seine gewünschte Härte herzustellen.

Kein Farbumschlag bedeutet keine messbare Härte.

Trotz Steinboden hat der berühmte Caño Cristales keine messbare GH und KH.


Nachzucht schlüpft nicht

Bei der Zucht tropischer Zierfische erlebt man es durchaus, dass die Fische trotz zu hoher Härtegrade ablaichen, aber die Jungen nicht schlüpfen oder die Eier kaputt gehen. Die Biologie dieser Fischarten, etwa vom Diskus oder Altum-Skalar, hat sich im Laufe der Evolution an dieses fast minerallose Wasser angepasst. In hartem Wasser funktionieren die Diffusionsprozesse zwischen Eihülle, Embryo und Aquarienwasser nicht mehr und die Zucht misslingt. Auch Wasserpflanzen sind bis zu einem gewissen Grad an ihr Heimatwasser angepasst. Es lohnt sich nachzulesen, ob die Pflanzenart X eventuell weiches Wasser zum Gedeihen benötigt, wenn die Pflanzenart partout nicht wachsen will.

Diese Jungen vom Rotkopf-Erdfresser schlüpfen auch bei 8 °dGH.

Versierte Verkäufer nutzen den GH-Test bei Wasseranalysen ihrer Kunden, um zu prüfen, ob der Kunde oft Wasser nachfüllt. Denn bei „Wassernachfüllern“ erhöht sich die Gesamthärte im Aquarium gegenüber dem Ausgangswasser, da die Mineralien Kalzium und Magnesium nicht verdunsten und sich so im Wasser ansammeln, wenn Wasser verdunstet und immer wieder nur mit Leitungswasser aufgefüllt wird.
Die Gesamthärte ist sicherlich nicht der wichtigste Wert im Aquarium, der permanent überwacht und auf 1 ° genau eingestellt werden muss. Aber wer in Regionen mit sehr weichem oder sehr hartem Wasser lebt, sollte seinen Aquarienbewohnern bei dem Einstellen der Härte etwas entgegenkommen. Unser Leben besteht nun einmal aus Kompromissen…

Vielfach in Kolumbien gemessen: GH 0 und eine KH von 1.