Mit Ichthyo zum Tierarzt?

Mit Ichthyo zum Tierarzt?

Probleme durch das neue Tierarzneimittelgesetz

Text: OLIVER MENGEDOHT


Wirksame, jedoch verschreibungspflichtige Medikamente erhält der Aquarianer bald nur noch bei einem Tierarzt. Durch die lückenhafte tierärztliche Versorgung für Fische in Deutschland drohen bei Krankheitsausbruch schnell hohe Tierverluste. Bei einer Online-Veranstaltung des Arbeitskreises Fischkrankheiten im VDA (Verband Deutscher Vereine für Aquarien- und Terrarienkunde) hat Sandra Lechleiter, Fachtierärztin für Fische, Probleme aufgegriffen, die sich aus dem im Februar 2022 in Kraft getretenen Tierarzneimittelgesetz für unser Hobby ergeben.

Muss der Aquarianer jetzt mit jedem kranken Fisch zum Tierarzt? (Foto: Juan Figueroa / Pexels)

Das Gesetz setzt drei Jahre nach dem Inkrafttreten die EU-Verordnung für Tierarzneimittel 2019/6 um. Die EU-Verordnung erlaubt den Mitgliedstaaten eigentlich in einigen Punkten eigene Ausgestaltungen. Für die Behandlung kranker Zierfische haben sich nun aber schwerwiegende Veränderungen
ergeben: Vor allem sind jetzt alle „antimikrobiell wirksamen“ Arzneimittel – also neben Antibiotika nun auch alle gegen Viren, Pilze und Protozoen (Einzeller) wirksamen Arzneimittel – verschreibungspflichtig. Ihre Anwendung ist also nur noch nach einer Untersuchung und Verschreibung durch den Tierarzt erlaubt.

Auch gegen die Weißpünktchenkrankheit (Ichthyophthirius multifiliis) darf nur noch der Tierarzt Mittel verschreiben. (Foto: Lexi Amico / CC BY 4.0)


Unmöglich gemacht

Der Tierarzt wiederum darf nur Arzneimittel verschreiben, die eine Zulassung haben. Diese fehlt den bisher im Zoofachhandel frei verkäuflichen Arzneimitteln, und weil Zierfischmedikamente ein Nischenmarkt sind, rechne sich die millionenteure Zulassung von Medikamenten nicht. Dadurch wurde die Palette der frei verkäuflichen Arzneimittel für Zierfische weiter erheblich verringert.
Aquarientiere sind ein Spezialgebiet und in Deutschland gibt es insgesamt nur etwa ein Dutzend Fachtierärzte für Fische mit eigener Praxis und andere spezialisierte Untersuchungsstellen. „Durch das neue Gesetz wird also eine wesentliche Versorgungslücke aufgerissen und damit die Behandlung von Millionen von Tieren nicht nur gefährdet, sondern schlicht unmöglich gemacht“, so der VDA.

Foto: thirdman / Pexels


Kuhmedikament für Fische?

Wie man in den anderen EU-Staaten mit diesem Problem umgehe, sei sehr unterschiedlich, hieß es weiter. Einige Heilmittel würden in den Nachbarländern noch frei gehandelt, hier befinde sich die Ausgestaltung der EU-Verordnung in nationales Recht noch in der Findungsphase.
Sollte es in Deutschland keine Erleichterungen bei der Registrierung der antimikrobiell wirkenden Substanzen für Heimtiere ab 2027 geben, „würden sogar Krankheiten wie die Weißpünktchenkrankheit, die jeder erfahrene Aquarianer mit bloßem Auge erkennen kann, den Gang zu einem Tierarzt erzwingen“. Dieser sehr häufig auftretende Parasit kann innerhalb weniger Tage einen Großteil der Aquarienfische töten, wenn nicht schnell behandelt wird. Lechleiter machte auf ein weiteres Problem in diesem Zusammenhang aufmerksam: Verschwinden die nicht mehr zugelassenen Zierfischheilmittel vom Markt, haben Tierärzte für die Behandlung von Aquarien- und Gartenteichtieren nur noch Medikamente zur Verfügung, die für Landtiere zugelassen wurden. Diese Arzneimittel sind jedoch nicht immer gut löslich in Wasser oder nur bedingt verträglich für Wassertiere, bisweilen sogar giftig!

Foto: Karolina Grabowska / Pexels

Das zwinge zu einer aufwendigen Beratungsleistung bei den wenigen fachkundigen Tierärzten. „Die Auswirkungen der geplanten deutschen Umsetzung der neuen EU-Verordnung auf Zierfische sind wenig erfreulich“, lautet Lechleiters Fazit. Auch diese müssten im Krankheitsfall schnell und fachkundig Hilfe erhalten und behandelt werden – schon aus Tierschutzgründen.
Die Umsetzung der neuen Rechtslage in Deutschland sollte unbedingt die Situation der zahlreichen Aquarientiere und Exoten hinsichtlich einer flächendeckenden tierärztlichen Versorgung und Verfügbarkeit von geeigneten Heilmitteln für die Behandlung berücksichtigen, meint die Tierärztin. „Sie gefährdet sonst das Leben von Millionen von Tieren.“ Die EU-Verordnung ermögliche ausdrücklich Erleichterungen für die Behandlung von Heimtieren. „Daher ist die Bundesregierung jetzt aufgerufen, diese Erleichterungen in vollem Umfang für alle Heimtiere – auch Zierfische – aufzugreifen.“