„Plan G“ gegen das Aussterben

„Plan G“ gegen das Aussterben

Visionen im Artenschutz Mexikanischer Hochlandkärpflinge

Text & Fotos: Michael Köck
Titelbild: André Scheiwiller


Der eine oder andere von Euch wird eventuell im letzten Jahr von einem „Plan G“ gehört haben. Vielleicht habt Ihr mitbekommen, dass es sich um ein Projekt handelt, das der Nachwelt eine ganze, zu einem hohen Prozentsatz bedrohte Fischgruppe, erhalten soll, und genau das ist es: Das „G“ steht hierbei für die Unterfamilie Goodeinae, die lebendgebärenden Vertreter der Familie Goodeidae, die – als Mexikanische Hochlandkärpflinge bekannt – allesamt

in Zentralmexiko leben. Und „Plan“ soll in einem Wort vermitteln, dass mithilfe einer strukturierten Herangehensweise die Situation für alle Arten soweit verbessert werden soll, dass die Gefahr des Aussterbens nicht mehr besteht.

Der malerische Camécuaro-Fluss, der ebenso wie der See Teil des Camécuarosee-Nationalparks ist.

Das ist sehr ambitioniert, immerhin sprechen wir hier von 39 Arten in 15 Bundesstaaten, verteilt auf eine Fläche von mehr als 400.000 km². Aber es spricht einiges dafür, dass dieser Plan gelingen kann. Zum einen gibt es mit der erfolgreichen Wiederansiedlung von Zoogoneticus tequila im Jahre 2017 ein Beispiel dafür, dass ein Leben im Aquarium nicht die Endstation für eine Art sein muss, und dass eine Fischart, auch mithilfe engagierter Hobbyaquarianer, wieder zurückkommen kann.

Zum anderen gibt es an der Universität Michoacana de San Nicolás de Hidalgo in Morelia ein im Artenschutz sehr erfahrenes Team, und diese Fischgruppe hat in Zoo- und Hobbykreisen eine Vielzahl an Unterstützern. Kurz zusammengefasst: Man muss etwas tun, man kann etwas tun, und man hat jemanden, der etwas tun will.


Ein adultes Pärchen des Tequilakärpflings (Zoogoneticus tequila).


Aquarium und Freiland

Ein solches Großprojekt muss natürlich untergliedert werden, Aufgaben müssen verteilt werden und es braucht Expertenteams, die in ihren Bereichen dazu beitragen, dass das Gesamtprojekt am Ende erfolgreich ist. Dazu wurde „Plan G“ in vier Themenbereiche unterteilt und es wurden vier Teams geschaffen.

Den Bereich „Artenschutzmanagement“, also die Richtungsvorgabe, erledige ich mit drei Personen als direkte Unterstützung. Der zweite Themenbereich „Forschung“ wird von zwei Teams abgedeckt: Eines kümmert sich um Fragestellungen, die unter Aquarienbedingungen geklärt werden können, ein zweites um Fragen, die nur das Freiland beantworten kann.

Ein Männchen von Skiffia multipunctata aus der La Luz-Quelle in Jacona de Plancarte.

Hier kommt es zu Überschneidungen der Themenbereiche und der Teams, weil letzteres Team auch den dritt en Themenbereich „Restaurierung und Wiederansiedlung“ abdeckt, aber das ist unumgänglich, weil Aufgaben vor Ort nur von ansässigen Personen erledigt werden können. Schlussendlich gibt es noch Themenbereich vier mit einem eigenen Team: „Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit“. Wenn man Gutes tut, sollte man auch ganz laut davon reden.


Lebensräume überprüfen

Alle bekannten Lebensräume von Goodeiden werden überprüft und die wichtigsten Wasserparameter erfasst. Dieser Prozess ist zu zwei Dritteln abgeschlossen, und auch weitere Aufgaben sind beendet oder im Gange, wie ein Fragebogen zur Aquarienhaltung der einzelnen Arten, eine Aktualisierung der Arten für die mexikanische Gesetzgebung und Untersuchungen zur Toxizität von Phosphat.

Darüber hinaus sind bereits drei Projekte am Laufen und fünf weitere beschlossen, teilfinanziert und starten in wenigen Wochen. Seit dem offiziellen Start im Oktober 2023 hat „Plan G“ definitiv Fahrt aufgenommen.

Studenten bei der Arbeit im Freiland.

Das älteste Projekt ist bereits seit 2014 und damit vor „Plan G“ im Gange: Dabei wurde der Tequilakärpfling 2017 im Río Teuchitlán erfolgreich wieder angesiedelt und die Bemühungen, dies für Skiffia francesae zu wiederholen, laufen vielversprechend. Weitere Wiederansiedlungen, Renaturierungsmaßnahmen, der Bau von Retentionsdämmen, die Adaptierung weiterer Quellen und edukative Arbeiten sind mit Unterstützung einer Initiative von Bewohnern („Guardianes del Río“), der Gemeinde Teuchitlán, des Aquazoo Museum Löbbecke in Düsseldorf und des Tierparks Hellabrunn in München aktiv oder in Vorbereitung.

Hier werden mit einem Multi parameter-Gerät Wassertests in der La-Zarcita-Quelle durchgeführt.

Ein weiteres Projekt erstellt einen Managementplan für den Zacapúsee, inklusive der Restaurierung der La-Zarcita-Quelle, die von vielen exotischen Fischarten bevölkert ist, aber künftig nativen Arten wieder ein Heim bieten soll. Das dritte Projekt läuft seit letztem Jahr im Camécuarosee-Nationalpark: Exotische Fischarten werden vom See eliminiert, damit native wie Skiffia multipunctata und Zoogoneticus purhepechus wieder Fuß fassen können. Projekt Nummer vier wird im März auf dem Gelände der Universidad Latina de América in Morelia starten. Hier befinden sich Goodeiden-Lebensräume, die restauriert und allen hier im Cuitzeosee-Becken bedrohten Arten wieder eine Heimat werden sollen.

Ein junges Männchen von Allotoca goslinei.


Erfolge beflügeln

Ein neues Projekt kümmert sich um die Sayula-Lagune in Jalisco. Es geht darum, bestehende Goodeidenhabitate zu restaurieren und verschwundene Arten wie Ameca splendens, Skiffia francesae, „Xenotoca“ cf. melanosoma und Zoogoneticus purhepechus wieder zurückzubringen. Kooperiert wird hier mit einer interkommunalen Umweltbehörde (JIMAL), einem Zusammenschluss von acht Gemeinden, um gemeinsam Herausforderungen im Umweltschutz zu bewältigen.

Abschnitt des Teuchitlán-Flusses. Hier wird bereits seit dem Jahr 2014 erfolgreich gearbeitet.

Finanziell hilft diesem Projekt der Wilhelma Zoologisch-Botanische Garten Stuttgart. Dieser Zoo unterstützt auch ein Projekt, bei dem das ehemalige Verbreitungsgebiet von Skiffia multipunctata nach übersehenen Populationen durchkämmt wird und die Art in einem symbolträchtigen Akt an ihrem Typusfundort in Guadalajara wieder angesiedelt werden soll.

Die Grafik verdeutlicht sehr schön den Gefährdungsstatus der einzelnen Arten mexikanischer Hochlandkärpflinge. (Grafik: Tigram Contreras)


Infobox

Goodeid Working Group
Eng verknüpft mit „Plan G“ ist die im Jahr 2009 in Dänemark gegründete, internationale „Goodeid Working Group“, über die jeder Interessierte auch Newsletter beziehen kann sowie viele Infos und einen Artenschlüssel findet.