Schau mir in die (hohlen) Augen, Kleines!

Schau mir in die (hohlen) Augen, Kleines!

Hollow Eyes sind der neuste Schrei bei Garnelenaugen

Text: LOU HERFURTH
Fotos: KUZEY TERZI


Tauchen Garnelen auf, die etwas anders als ihre üblichen Verwandten sind, rumort es rasch in der Wirbellosenszene. Vor allem Orange Eyes (OE) haben lange für Rätsel und sogar Krititik gesorgt. Neu sind Hollow Eyes – die sich bislang aber nicht wirklich durchsetzen konnten. Sehen wir den Tierchen mal tiefer in die Augen.
Als seinerzeit in Internetforen die erste Garnele mit orangefarbenen Augen auftauchte, war das Interesse an diesen Tieren riesengroß, denn im Gegensatz zu den sonst eher schwarzen Augenfarben war diese neue Farbe sprichwörtlich ein neuer Glanz am Garnelenhimmel. Dazu verhielten sich diese Garnelen „irgendwie“ anders als ihre Vertreter mit normalen Augen.
Ein leiser Verdacht, dass die Tiere womöglich blind sein sollten, erregte allerdings ebenfalls die Gemüter und nicht zuletzt wurde die Forderung lauter, solche Garnelen gar nicht erst weiter zu züchten. Erst beschäftigte sich eine Versuchsreihe zu diesem Aspekt durch Carsten Logemann mit dem Thema. Etwas Licht ins Dunkel brachten 2018 Untersuchungen durch Melanie Kirchbeck und andere.

Hollow Eyes bedeutet übersetzt „hohle Augen“. Hier sieht man die unpigmentierte Augenmitte.


Ursprung der Orange Eyes

Komplett an den Ursprung zurückverfolgen lässt sich das erste Auftreten der seltsamen Augenfarbe heute wohl nur noch schwerlich. Vermutlich stammten die ersten Tigergarnelen, bei denen dieses Phänomen auftrat, aber aus dem asiatischen Raum. Sie weckten riesiges Interesse, als sie zwischen 2011 und 2013 langsam gen Europa geschwappt sind und weiter gezüchtet wurden. Auch wenn diese Mutation nicht mehr sprunghaft ist, sondern inzwischen erbfest, handelt es sich gewöhnlich bislang immer um Caridina-Arten. Mittlerweile wird auch fleißig an Neocaridina mit hellen Augen gearbeitet, sodass es in Zukunft noch vielfältiger werden dürfte im Garnelensortiment.
Auffällig war, dass OE anfänglich nur bei Blauen, Roten und Schwarzen Tigergarnelen auftauchten oder bei Tieren mit Tigergenetik. Im Laufe der Zeit wurden aber ebenfalls Neocaridina und auch C. hodgarti mit hellen Augen angetroffen und die Vermutung reiner Zuchtvarianten wurde durch gesicherte Wildbestände mit OE widerlegt, die voraussichtlich den Meilenstein in Sachen Augenfarbe gelegt haben.

Die Blaue Tigergarnele war seinerzeit der Vorreiter der Orange Eyes.


Tests und Ergebnisse

Warum aber sind die Augen andersfarbig? Den ersten Vermutungen zufolge sollte es sich dabei um einen Mangel an Rhodopsin handeln, einem Sehpigment in den Fotorezeptoren von Krebstieren. Dieser wiederum begünstige voraussichtlich die Sehschwäche. Andersartiges Verhalten wie ein Aufstellen der Antennen und ein teils fehlender Fluchtreflex ließ die sonderbaren Tiere in den Fokus rücken und die besorgte Frage eines Handicaps aufploppen.
Carsten Logemann vom Garnelenhaus führte eine Halterbefragung von diesen und von normaläugigen Blauen Tigergarnelen durch, deren Auswertung ihn aber nicht überzeugte, woraufhin er selbst verschiedene Versuche aufbaute und eine grobe behavioristische Studie mit Blauen Tigergarnelen OE durchführte. Die betreffenden Tiere – in der Kontrollgruppe zum Vergleich normaläugige Tigergarnelen – wurden in Fotoküvetten gesetzt und unter anderem verschiedenen Reizen durch Licht und Bewegung ausgesetzt, um Unterschiede in ihrem Verhalten herauszufinden.
Carsten kam zu dem Ergebnis, dass „Tiger OE Unterschiede erkennen zwischen hell und dunkel und richten ihre Antennen auch in die Richtung, aus der der Schatten kommt. Bewegungen ohne Schattenwurf können sie aber nicht wahrnehmen, ganz im Gegensatz zu den «normalen» Tigern, die offenbar mit ihren Facettenaugen sehr gut sehen können.“ Er folgerte daraus, dass die OE-Tigergarnelen entweder blind, zumindest aber stark seheingeschränkt sein müssten. Der Garnelenzüchter war aber davon überzeugt, dass die Tiere mit diesem Handicap in Gefangenschaft genauso gut zurechtkommen wie ihre schwarzäugigen Vertreter.

Garnelen haben Komplexaugen, wie hier beim Antarktischen Krill Euphausia sp. (Foto: Gerd Alberti & Uwe Kils / CC BY-SA 3.0)

Melanie Kirchbeck hingegen stellte in einer histologischen und Vergleichsstudie (Kirchbeck, et. al., 2018) fest, dass die Augen von OE und normalen Tigern gleichsam alle notwendigen Elemente aufweisen, die zum Sehen erforderlich sind: Lamina, Medulla, Rhabdome und Lobula bzw. Medulla externalis, M. internalis und M. terminalis sowie Kristallkörper. Verglichen mit Tieren, die vorwiegend im Dunkeln leben und eher weniger auf ihre Seheigenschaft en angewiesen sind, sind neurophile Lamina und Kristallkörper für gewöhnlich eher schwach bis gar nicht ausgeprägt, was aber bei den OE nicht der Fall war.
Ein Garnelenauge verfügt über sogenannte Ommatidien, also etliche Einzelaugen, die kegelförmig angeordnet sind. Zwischen diesen befindet sich eine unterschiedlich gut ausgeprägte Pigmentschicht aus Melamin, die der Abschirmung starker Lichtverhältnisse dient, sodass die Garnele nicht geblendet wird und weiterhin „scharf“ sehen kann. Auffällig war das Fehlen dieser intraommatidialen Pigmente bei den OE-Tigern, wenngleich einzelne funktionslose Überreste davon in der Untersuchung auffielen.

 

Komplexauge eines unbestimmten Insekts, wahrscheinlich Falter oder Schmetterling, in 42-, 162-, 707- und 5.653-facher Vergrößerung unter dem Rasterelektronenmikroskop. (Fotos: Janice Carr/USCDCP (Public Domain))

Tiere mit Orange Eyes verfügen also nicht über den natürlichen Lichtschutz in den Augen wie andere Garnelen. Daraus resultiert eine mögliche Blendung, wenn sie einer starken Lichtquelle ausgesetzt sind. Das Gesamtbild ist für sie durchaus erkennbar, bei starkem Lichteinfall könnten aber Strukturen nicht mehr so deutlich zu sehen sein. Im Umkehrschluss sind sie demnach allerdings in der Lage, in der Dämmerung und im Dunklen besser sehen zu können, da das Restlicht besser auf alle Einzelaugen wirkt und schärferes Sehen ermöglicht.

Lichtweg (blau) und strukturelle Organisation des zusammengesetzten Super positionsauges der Crustaceen (C=Cornea, Co=Kristallkörper, DP=distales Melaninpigment, CZ=freie Zone, RH=Rhabdome, PP=proximales Melaninpigment, Ax=Axone). (Zeichnung: Melanie Kirchbeck nach Schema von Hardie 1988 und Nillson 1989.)


Schaurig interessante Augen

Garnelen mit den sogenannten Hollow Eyes sind noch gar nicht so lange im Hobby vertreten und tauchten voraussichtlich 2020 das erste Mal in Erscheinung. Auffällig sind ihre merkwürdig wirkenden Augen, die geradezu eingefallen wirken und daher als Hollow Eye bezeichnet werden, was schlicht hohles oder versunkenes Auge bedeutet. Im Gegensatz zu OE-Garnelen verfügen Tiere mit diesen Augen aber voraussichtlich nicht über eine Sehschwäche, bislang sind auch keine Gemeinsamkeiten dieser beiden Phänomene offensichtlich.

Von vorne betrachtet fällt das „hohle Auge“ nicht so auf.

Hollow Eyes kommen bisher nur bei wenigen Garnelenarten vor, wie den Crystal Bee Red Ghost.

 Auch die Hollow Eyes sind eine Spielerei von Mutter Natur, der eine genetische Mutation zugrunde liegt und derzeit nur bei Crystal Red und einzelnen Caridina-Hybriden vorkommt. Mit zunehmendem Alter intensiviert sich das Augenmerkmal. Bislang liegen keine Studienergebnisse dazu vor, ob Garnelen mit Hollow Eyes in irgendeiner Art und Weise in ihrem Sehen oder ihrer Lebensqualität eingeschränkt wären. Eine durchaus interessante, wenngleich noch spalterbige Mutation sind ihre gruselig wirkenden Augen aber allemal.

Bisher sieht es nicht so aus, als ob die Tiere mit Hollow Eyes eine Beeinträchtigung hätten.