Schlag ins Gesicht

Schlag ins Gesicht

Beschreibung Titelbild: Vom Madagaskar-Cichliden Ptychochromis insolitus gab es nur noch 18 Exemplare, bevor er wieder nachgezüchtet wurde.

Positivliste wäre „Verbot der Heimtierhaltung“ – ein Kommentar

Text & Titelbild: OLIVER MENGEDOHT


Es ist wirklich zum Haareraufen! Immer wieder kommen Politiker und vermeintliche Tierschützer mit neuen Ideen, wie Tierhaltern das Leben erschwert und das Hobby vergrämt werden kann. Der neue Vorstoß von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir für eine Positivliste zeugt erneut von fehlender Sachkenntnis.
„Trotz des harmlos klingenden Namens wäre eine Positivliste nichts anderes als ein grundsätzliches Verbot der Heimtierhaltung“, klärt Norbert Holthenrich auf, Präsident des ZZF (Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe Deutschlands). Warum jemand zu Hause exotische Tiere wie Schlangen oder Chamäleons brauche, hatte der Minister gefragt und eine Positivliste gefordert.
Dabei geht es ihn gar nichts an! „Es ist anmaßend, wenn der Minister den Menschen vorschreiben will, welche Heimtiere sie halten dürfen und welche nicht“, meint auch Holthenrich. Es werde der Eindruck vermittelt, die Haltung von Heimtieren sei im Prinzip etwas Schlechtes. „Das ist ein Schlag ins Gesicht von Millionen von verantwortungsvollen Heimtierhaltern in Deutschland!“
Das Leben mit Heimtieren trägt zum Wohlbefinden und zur Gesundheit des Menschen bei. Auch Heimtiere profitieren bei artgerechter Haltung in menschlicher Obhut durch eine deutlich höhere Lebenserwartung. Fach- und artgerecht lassen sich ebenso viele vermeintlich exotischen Tiere wie Meerschweinchen, Zwerghamster, Zierfische, Wellensittiche wie auch Schlangen und Chamäleons halten. Der persönliche Geschmack von Herrn Özdemir sollte dabei nicht die Richtschnur für die Politik sein – davon abgesehen, dass eher Zigtausende Hunde und Katzen in den Tierheimen ein Problem sind, nicht Regenbogenfisch oder Kornnatter.


Zahllose Gesetze

Oft wird argumentiert, dem illegalen Tierhandel, insbesondere von geschützten Arten, müsse entgegengesteuert werden. Wie bitte? Der ist ja schon verboten, dafür brauche ich doch nicht noch zusätzlich ehrliche Tierhalter zu bestrafen! International und national gibt es zahllose Verordnungen und Gesetze, um den Handel oder die Haltung von Tierarten einzuschränken, die vom Aussterben bedroht sind oder als gefährlich gelten.
Sie basieren auf dem Prinzip der Negativliste, wie das Animal Health Law für mögliche Zoonosen, die Unionsliste invasiver Arten, das Washingtoner Artenschutzübereinkommen, die Gefahrtierverordnungen der Bundesländer und das Tierschutzgesetz samt zugehöriger Verordnungen und Leitlinien (etwa zu Tierbörsen) und einige mehr. Experten wie Dr. Axel Kwet, Geschäftsführer der DGHT (Deutsche Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde), kritisierten Özdemir scharf und warfen ihm Populismus vor. Der BNA (Bundesverband für fachgerechten Natur-, Tier- und Artenschutz) verwies auf Studien, welche die Scheinargumente der vermeintlichen Tierschützer als fachlich falsch entlarvten und zeigte auf, dass Özdemirs Forderung dem Koalitionsvertrag widerspreche. Er solle sich lieber um dort aufgeführte Themen kümmern wie strukturelle Lücken im Tier- und Artenschutz beim ungeregelten (!) Handel mit Heimtieren auf Internetplattformen oder fehlende Auswertung und Abgleich von Meldedaten bei zuständigen Behörden zu artgeschützten Tieren. Selbst hochrangige Vertreter der Zoologischen Gärten meldeten sich zu Wort: Renommierte Biologen wie Wilhelma-Direktor Dr. Thomas Kölpin halten nichts von einer Positivliste. Vogelspinnen und Kornnattern seien leichter zu halten als viele Hunde und Katzen.
VDA-Präsident Jens Crueger rief zum Dialog mit dem Bundeslandwirtschaftsminister auf, „dem offenbar das Verständnis für unser schönes Hobby fehlt“. Der VDA ermunterte seine Vereine, freundliche Einladungen an Bundeslandwirtschaftsminister und Bundestagsfraktionen zu senden, damit Minister und Abgeordnete die Vereine vor Ort besuchen und einen Eindruck von unserem Hobby gewinnen können.

Bundesminister Cem Özdemir eröffnet die Internationale Grüne Woche.

 

Ein Sargnagel

Eine Positivliste wäre für viele Ex-situ-Arterhaltungen in zoologischen oder privaten Einrichtungen ein „Sargnagel“, so der BNA mit seinem Geschäftsführer Dr. Martin Singheiser. Die Initiative des Bundesministers würde daher auch den Antrag der Regierungskoalitionen „Ein Paris-Moment für die Natur – Für einen ambitionierten globalen Rahmen zum Schutz der Biodiversität“ konterkarieren, in der es heißt: „Der Ex-situ-Artenschutz kann neben dem Insitu-Artenschutz einen wichtigen Teil zum Erhalt der Biodiversität beitragen. Dabei können moderne zoologische Gärten sowie verantwortungsbewusste und sachkundige private Züchter durch koordinierte Zuchtprogramme zum Erhalt bedrohter Arten beitragen.“
In die gleiche Kerbe schlägt Manfred Dietz vom Cichliden-Forum: „Wenn Aquarianer das nicht tun würden, wären viele Arten schon lange nicht mehr auf der Welt existent.“ Er erinnert an den Tequila-Kärpfling – der bereits wieder erfolgreich ausgewildert wurde –, Madgaskar-Buntbarsche und vielleicht bald den Zebrawels L46, dem der brasilianische Staat durch seine Staudammbauten
das Habitat zerstört. Daneben gibt es Arterhaltungszuchten vom VDA, dem Citizen-Conservation-Project oder den Sulawesi Keepers.

Der Tequila-Kärpfling (Zoogoneticus tequila) ist nicht so leicht zu vermehren, wurde aber bereits nachgezüchtet. (Foto: Elke Wieland)

Verliert sein Habitat in Brasilien: Der Zebrawels L 46. (Foto: Dieter Untergasser)


Manfred gibt zu bedenken, dass sich alle Tierhalter immer enger vernetzen und zusammenarbeiten müssen. „Alte Verbandsirritationen oder sonstige Streitereien müssen endgültig beendet werden.“ Dem extrem starken und kapitalkräftigen Gegner, der Tierhaltung komplett verbieten wolle, könnten wir nur in einer großen Gemeinschaft entgegentreten, weiß Manfred. „Bitte glaubt nicht, dass alles von alleine verschwindet und man deshalb nichts tun muss!“ Der BNA sei eine gute Anlaufstelle, um sich zu vernetzen.
Ansonsten: sich und andere informieren und immer am Ball bleiben, Halbwissen und falschen Aussagen in allen Medien entgegentreten und fachlich korrekt aufklären.

 

Dieser Artikel erschien in der aquaristik-Ausgabe 03/2023.

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