Zoos und Aquarianer in einem Projekt

Zoos und Aquarianer in einem Projekt

Beschreibung Titelbild: Mit Amphibien – hier Philip Gerhardt mit dem Feuersalamander (Salamandra salamandra) – hat beim CC alles angefangen. (Foto: Benny Trapp)

Citizen Conservation macht Bürger zu Artenschützern

Text: OLIVER MENGEDOHT


Der Zusammenbruch der Artenvielfalt wird immer dramatischer. Viele Arten werden kurz- und mittelfristig nur in menschlicher Obhut eine Überlebenschance haben und die Kapazitäten der Zoos reichen nicht aus, diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu lösen. Die Einbindung engagierter Privathalter kann helfen, eine relevante Anzahl an Arten in der mindestens erforderlichen Populationsgröße zu erhalten. Der neue Verein Citizen Conservation setzt dafür einen Rahmen.
Gestartet ist das Projekt im Jahr 2018 als Gemeinschaftsprojekt von Frogs & Friends mit der Deutschen Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde (DGHT) und dem Verband der Zoologischen Gärten (VdZ). 2022 wurde die gemeinnützige GmbH gegründet mit den drei Initiatoren als Gesellschaftern, berichtet Sprecherin Tina Nagorzanski. Da Amphibien derzeit besonders stark von der globalen Aussterbewelle betroffen sind, wurde mit Frosch, Salamander und Co. begonnen.

Tina Nagorzanski arbeitete zwei Wochen im Aquarienhaus des Tiergarten Schönbrunn in Wien mit, um nähere Einblicke in die Tätigkeiten zum Artenschutz in der Aquaristik zu erlangen.

Citizen Conservation (CC) macht Bürger zu Artenschützern, motiviert zur Mitwirkung und bringt die Fachkompetenz vieler zusammen, um einen spürbaren Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt zu leisten. Während der mögliche Beitrag des Einzelnen in vielen Bereichen ernüchternd gering ist, bietet die Erhaltungszucht von Arten die Chance, auch als Einzelner einen zählbaren Beitrag zu leisten. Das Engagement vieler ehrenamtlicher Züchter wurde bislang kaum genutzt, um koordinierte Programme aufzubauen. Der Verein vereint das wissenschaftlich-technische Know-how der Zoos mit der Erfahrung engagierter Tierhalter in einem gemeinsamen Programm.
nur erreichen, wenn wir tun, was wir sagen – und wenn wir sagen, was wir tun“, erklärt Tina Nagorzanski. Ziel ist es, ein maßgeblich durch die Zivilgesellschaft getragenes Erhaltungszuchtprogramm zu etablieren. CC will stabile Populationen bedrohter Arten in Menschenobhut aufbauen, um in akuten Krisensituationen, etwa bei Ausbruch von tödlichen Seuchen, kurzfristig reagieren zu können, dem illegalen Handel mit Wildtieren die Geschäftsgrundlage zu entziehen und Werbung für die Sache bedrohter Arten zu machen. „Citizen Conservation will eine Bewegung sein – jeder kann mitmachen“, wirbt Tina.
Für jede Art gibt es von Fachleuten definierte Zuchtziele. Bis diese erreicht sind, bleiben Nachzuchten im CC-Programm. Darüber hinaus gezüchtete Tiere werden vermarktet. Damit sollen gesunde, aus artgerechter Haltung stammende Nachzuchten in den Heimtierhandel gelangen, um so auch Interessenten außerhalb von CC zur Verfügung zu stehen und den Import von Wildfängen zu reduzieren.

Professionelle und private Tierhalter vernetzen sich im Projekt Citizen Conservation, hier bei einer Beiratssitzung. (Foto: Tillmann Konrad)


Auch Fische und Wirbellose

Tina: „Der Bedarf an der Vernetzung von privaten und professionellen Tierhaltern zur Erhaltung bedrohter Arten ist riesig, und schon jetzt bekommen wir regelmäßige Anfragen, wann wir das Projekt für weitere Tierklassen ö ffnen.“ Den Anfang machten die Amphibien, aber Reptilien und Fische sind schon in der Mache. „Weitere Klassen sollen natürlich folgen und dabei haben wir auch die Wirbellosen auf dem Schirm.“
Das Online-Tool „Wild at Home“ zum Management von Wildtierbeständen, dessen Entwicklung derzeit läuft, könne nach Abschluss interessant für Halter von Wirbellosen sein. Die Plattform steht dann allen Wildtierhaltern offen und bietet die Möglichkeit, den eigenen Tierbestand online zu verwalten, mit anderen Tierhaltern in Kontakt zu treten und sich auszutauschen. Wild at Home soll ein effektives Tool werden, um die Koordination von Arterhaltungsprogrammen innerhalb der Aquaristik-Szene deutlich effektiver und transparenter gestalten zu können.

Loiselles Buntbarsch (Ptychochromis loisellei) mit Laich. (Foto: Thomas Ziegler)

Eine Gruppe des Mangarahara-Buntbarschs (Ptychochromis insolitus) im Aquarium. (Foto: Thomas Ziegler)

Momentan sind es etwa 200 private und institutionelle Tierhaltende, die sich mit der Haltung einer oder mehrerer Arten in den CC-Erhaltungszuchtprogrammen für den Artenschutz einsetzen. „Uns ist bewusst, dass nicht jeder die Möglichkeit hat, daheim Tiere zu halten. Dennoch kann man auch ohne die Haltung von Tieren einen Beitrag für den Artenschutz leisten und CC unterstützen“, weiß Tina. „Wir freuen uns über jede Spende oder über neue Paten, die uns mit einer Patenschaft für 40 Euro im Jahr fördern.“

Tierpflegerin Anna Rauhaus vermisst im Kölner Zoo einen Vietnamesischen Krokodilmolch (Tylototriton vietnamensis). (Foto: Benny Trapp)

Mitglieder des Fisch-Beirats (v.l.n.r.): Benjamin Wilden (Parosphromenus Project), David-Suryanto Kasih (1000-Arten- Projekt) und Ariel Jacken (Senior-Kurator Zoo Leipzig). (Foto: Tillmann Konrad)


Zusammen mit Privathaltern

Während Forscher noch damit beschäftigt sind, die Amphibien in Vietnam überhaupt erst mal zu entdecken, haben ihre Kollegen schon alle Hände voll damit zu tun, sie vor dem Verschwinden zu schützen. Tierpflegerin Anna Rauhaus vom Kölner Zoo hilft den Kollegen vor Ort, Haltungen für gefährdete Arten aufzubauen, ihre Fortpflanzung zu erforschen und Zuchtgruppen zu bilden.
Aber auch im Kölner Zoo werden Amphibien nachgezüchtet: als Botschafter für ihren natürlichen Lebensraum und stille Reserve für den Artenschutz. In einem speziellen Amphibienzuchtraum ist Anna und ihrem Team in den vergangenen Jahren die Vermehrung von knapp 20 Fröschen, Kröten und Salamandern geglückt, darunter hoch gefährdete Arten. Das Kölner Terrarien-Team hilft auch bei der Unterbringung und Vermittlung von aus Beschlagnahmungen stammenden Tieren kräftig mit.

CC-Geschäftsführer und Mitbegründer Björn Encke erklärt bei einer Tagung die Vereinsziele. (Foto: Tillmann Konrad)

„Kein Tag ist gleich“, erzählt Anna über ihren Traumjob als Reviertierpflegerin. „Gerade bei den Amphibien muss man sich bei jeder Art neu hineindenken und überlegen, wie man die natürlichen Lebensbedingungen am besten nachstellt. Besonders schön ist es, dass im Kölner Zoo Haltung mit Forschung und Artenschutz kombiniert wird.“
Anna und ihr Team arbeiten im Rahmen von CC gerne mit Menschen zusammen, die sich in ihrer Freizeit mit Amphibienhaltung beschäftigen. „Mit engagierten Privathaltern können wir neue Kapazitäten schaffen und gleichzeitig Wissen teilen und erweitern – ein Win-win-Effekt für Erhaltungszuchten bedrohter Arten.“


Einsteiger und Schulzoos

CC hat schon in der Pilotphase einen Grundstock aus vier madagassischen Süßwasserfischarten aufgebaut, zudem wurde ein eigener Fisch-Fachbeirat ins Leben gerufen. Bei der 3. Tagung zum Artenschutz im Aquarium nach Thannhausen vom VDA-Arbeitskreis Natur-, Arten- & Tierschutz und der Deutschen Cichliden-Gesellschaft (DCG) im Juli stellten Tina und CC-Geschäftsführer Björn Encke das Programm vor, teilten erste Erfahrungen im Bereich Aquaristik und gaben einen Ausblick auf die neuen Fischarten, die demnächst ins Programm aufgenommen werden sollen.

Im letzten Jahr gab es erstmals Nachzuchten vom Nosy-Be-Buntbarsch (Ptychochromis oligacanthus) innerhalb von CC bei den Kollegen von „Die Laichbude“. (Foto: Tobias Conrad)

Den Anfang machten drei Cichliden: Mangarahara-Buntbarsch (Ptychochromis insolitus), Loiselles Buntbarsch (P. loisellei) und Nosy-Be-Buntbarsch (P. oligacanthus). Von Anfang an war auch der Madagaskar-Ähren fisch (Bedotia madagascariensis) dabei. CC arbeitet eng mit dem Kölner Zoo und Thomas Ziegler zusammen, dem Leiter des Aquariums im Kölner Zoo. „Er beschäftigt sich intensiv mit diesen gefährdeten Arten und hat uns 2021 Nachzuchten der Tiere angeboten, um auch private Tierhalter für den Erhalt der Arten innerhalb eines koordinierten Programms ins Boot zu holen“, erinnert sich Tina. So wurde das Programm schon etwas früher als geplant noch in der Pilotphase um die Fische erweitert. Die Aquarienfreunde Krumbach engagieren sich schon seit 2022 mit der Haltung der madagassischen Fischarten bei CC.

Jonas Lieberknecht hat kunstvolle Zeichnungen für die Dankeskarten an die Paten entworfen, hier vom Madagaskar-Ährenfisch.

Dabei „möchten wir nicht nur Spezialisten ansprechen, mit uns Arten zu erhalten“,
versichert Tina. Es sollen auch Arten im Repertoire sein, die sich für Einsteiger oder auch Schulzoos eignen, wie der Tigerkärpfling (Limia islai). „Für diese Art haben wir schon bald die erste Schule mit an Bord.“ Außerdem „arbeiten wir zusammen mit Benjamin Wilden vom «Parosphromenus Project» gerade an der Aufnahme einer Art, für die ein wenig Vorerfahrung notwendig ist.“
Dazu gibt es Vorträge auf Fachtagungen, neben dem VDA bei DCG, DGHT oder dem Kuratorentreffen von SeaLife. Am 16. März hält Tina einen Vortrag beim Treffen des VDA-Arbeitskreises Lebendgebärende Aquarienfische in Fulda.


Helfen und Infos

Citizen Conservation,
www.citizen-conservation.org

Spendenkonto: GLS Gemeinschaftsbank eG
Stichwort „Patenschaft “ + Ihr Name

IBAN: DE38 4306 0967 1271 7068 00
BIC: GENODEM1GLS