Ich habe mich geirrt… vielleicht! Über Schwarz und Bunt im frühen Aquaristik-Web
An der Geschichte des World Wide Web fasziniert mich die Unbefangenheit, mit der wir heutzutage immer noch auf dieses vermeintlich neue Phänomen schauen (Stichwort: „Neuland“). Das Web schreibt seit drei Jahrzehnten Geschichte, aber wir verstehen viele Trends und Entwicklungen im Web bis heute nicht wirklich.
Ein Beispiel: Ich schrieb in meiner vorletzten Kolumne darüber, wie das Internet seine Farbe verloren hat. Als Beispiel wählte ich den Screenshot der frühen Website des Hauses des Meeres in Wien: mit einem Perlboot auf schwarzem Hintergrund. Farbiger könnte es doch kaum sein (den Einwand, ob Schwarz eine Farbe sei, ignoriere ich an dieser Stelle). Aber ich glaube, ich habe etwas übersehen. Vielleicht war die Website gar nicht so schwarz unterlegt, weil bunte Farben damals in Mode waren und weiße Websites als langweilig galten. Ein Aufsatz aus dem Jahr 1997 hat mich zum Nachdenken gebracht. Vielleicht war der Hintergrund der Website aus einem anderen Grund schwarz.
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URL des Screenshots im Internet Archive: https://web.archive.org/web/19980624153838/http://www.mbayaq.org/index.htm
Unter der (von mir ins Deutsche übersetzten) Überschrift „Ein Blick durchs Glas: Aquarien im Internet“ formulierte die Geografin S. Mary P. Benbow 1997 sehr spannende Gedanken: Sie erkannte bei den Websites von öffentlichen Schauaquarien nämlich den Trend, dass die Präsentationstechniken der Ausstellungsaquarien auf die Gestaltung der Websites übertragen wurden. Folgendes Zitat aus ihrem englischsprachigen Aufsatz möchte ich einfach mal im Raum stehen lassen: „So vermitteln beispielsweise dunkle Hintergründe den Eindruck eines von hinten beleuchteten Beckens, und das Glas des Bildschirms bietet eine ‚reale‘ Schnittstelle zum ‚virtuellen‘ Becken.“
Der PC-Bildschirm als Aquarien-Simulation – diese Interpretation finde ich spannend. Wir sollten öfter darüber nachdenken, warum frühe Websites so waren, wie sie waren. Und natürlich sollten wir uns auch öfter fragen, warum heutige Websites so sind, wie sie sind. Als Screenshot für heute habe ich die Website eines Schauaquariums von 1998 herausgesucht, die weder schwarz noch anderweitig bunt war, sondern überraschend schlicht für ihre Zeit: Das Monterey Bay Aquarium „On – Line“.
