Ullis Szeneblick aus caridina 1/2024

Ullis Szeneblick aus caridina 1/2024

Unsere Kolumnistin Ulli Bauer erzählt aus dem ganz alltäglichen Wahnsinn einer Garnelenverrückten, die sich im Online-Universum bewegt.


Zoff um die Blaubeerschnecke

Eine neue Schnecke aus Papua spaltet die Community und beschäftigt die Kommentarspalten in den Gruppen der Sozialen Medien. Von dieser Schnecke gibt es diverse Standortvarianten; sie ist in ihrer Heimat weit verbreitet und entsprechend variabel. Es gibt sie mit fast blauem Körper und wenigen orangefarbenen Punkten bis lebhaft orange gesprenkelt. Auf den Markt kam sie zunächst als Blue Berry Snail – obwohl ich sie ja vermutlich Blaue Schlumpfschnecke genannt hätte :-).
Findige Händler sahen die Unterschiede, und in einem Appell an die Sammelleidenschaft der Menschen wurden die wild gesprenkelten Exemplare flugs umbenannt. Sie machen nun als „Orange Spotted Leopard“ die Aquaristik unsicher – warum auch immer der Leopard mit seinen wenigen großen Flecken für die sommersprossige Variante herangezogen wurde …

eine Variante der Blaubeerschnecke mit Sommersprossen. wo sortiert man die denn jetzt ein? (Foto: Chris Lukhaup)

Sowohl die Blaubeervariante als auch die Schnecken mit den vielen Sommersprossen und alle Abstufungen dazwischen gehören jedoch zur wissenschaftlichen Gattung Notopala und zu einer und derselben, leider noch unbestimmten Art. Die Schnecks werden deshalb als Notopala sp. geführt. Genetisch sind alle Varianten praktisch identisch.
Andere Händler führen sämtliche Varianten als Notopala sp. „Blue Berry“ und machen in ihrer Artikelbeschreibung darauf aufmerksam, dass die Tiere durchaus unterschiedlich gezeichnet sein können, weil es sich um verschiedene Standortvarianten handelt. Es gibt für die Vergabe von Trivialnamen bei den niedlichen Wirbellosen übrigens schlicht keinen Standard und damit keine Regeln. Im Prinzip könnte man die Schnecken unter jedem beliebigen Namen verkaufen – aber nicht so mit manchen Aquarianern!
Wenn in den Gruppen nun nämlich jemand eine sommersprossige Notopala sp. herzeigt und sinngemäß schreibt „guckt mal meine Blue Berry, süß, gell?“, wird derjenige direkt belehrt, dass er einem Betrug (!!11!!1einself!!!1!) aufgesessen sei und dass es sich hier mitnichten um eine Blue Berry, sondern um eine „Leopard spottet“ (gerne auch mal falsch geschrieben) handle. Und dass dies eine vollkommen andere Art sei und der böse Händler den Ersteller des Posts über den Tisch gezogen habe.
Auf die Tatsache der unterschiedlichen Standortvarianten und der eindeutigen Genetik hingewiesen, wird gerne mal das Bild vom Schäferhund und vom Dackel bemüht – wenn man einen Schäferhund kaufe und einen Dackel geliefert bekomme, sei das ja auch nicht in Ordnung. Also echt mal! Bei Hunden gibt es Zuchtstandards, die selbstverständlich verbindlich einzuhalten sind. Da wäre es wirklich Betrug, das eine als das andere zu verkaufen.
Seit Neuestem wird nun die Forderung erhoben, immer genau das Tier vom Foto zu verkaufen, damit die lieben Kunden nicht betrogen werden können. Ja, Ihr lest richtig: Der Händler soll bitteschön jede Schnecke einzeln fotografieren, einstellen und dann auch ganz genau dieses eine Tier ausliefern. Symbolbilder sind nämlich Betrug am Kunden!

Die Händler lachen immer noch.

 

Ulli Bauer - Caridina

Eure Ulli Bauer 


Ein Beitrag aus der 

caridina 1/2024

Normaler Preis €9,00 EUR
Normaler Preis Verkaufspreis €9,00 EUR
caridina 1/2024