Unsere Kolumnistin Ulli Bauer erzählt aus dem ganz alltäglichen Wahnsinn einer Garnelenverrückten, die sich im Online-Universum bewegt.
Einmal gut hinschauen hätte so viele Ausrufezeichen gespart ...
Geht es Euch auch so? In den sozialen Medien nimmt immer mehr die Panikmache überhand – wir tun alles für einen schnellen Effekt, für möglichst viele Likes, für Aufmerksamkeit ... und wenn der Preis ist, dass jemand sein Aquarium ruiniert, dann ist das halt so.
Ich rede hier von den Schnellschüssen in den Gruppen und Beiträgen. Ein Tier, das länger ist als breit und an der Aquarienscheibe kriecht? Planarie!!! Ein Tier mit sechs Beinen und länglichem Hinterleib? Libellenlarve!!! Ein käferartiges Tier im Wasser? Gelbrandkäfer!!!
Die Leute gucken nicht mehr hin. Diese Klage habt Ihr vor Jahren schon an dieser Stelle von mir vernommen, aber ich habe das Gefühl, es wird immer schlimmer. Die Ausrufezeichen nehmen zu. Kaum einer weiß noch, wie man richtig hinschaut, nach wichtigen Details zu suchen ist out. Zu anstrengend? Oder wissen die Leute einfach gar nicht mehr, worauf es ankommt – oder wo man zuverlässige Informationen findet?

Eine Eintagsfliegenlarve, oft als Libellenlarve fehlbestimmt – aber dank Kiemenblättchen am Hinterleib eindeutig identifizierbar. (Foto: Amada44, CC BY 3.0, Wikimedia Commons)
Etwas Recherche, Dinge nachschlagen oder gar nachlesen? Wer möchte denn diesen Aufwand betreiben, wenn doch Panikmache billig und effektiv ist? Meine Likes bekomme ich doch auch ohne umständliches Suchen! Dazu kommt: Die schnell befragte KI, die mittler weile gerne zum Einsatz kommt, greift bei unseren Spezialthemen auf eine sehr kleine Datengrundlage zurück und trifft demzufolge leider oft nicht ins Schwarze. Gegenrecherche, eine eigene Überprüfung des „allwissenden“ ChatGPT und Co.? Fehlanzeige!
Das ist traurig und leider für unsere Aquarientiere auch gefährlich. Für die „unschuldigen“ Tierchen, die für gefährliche Prädatoren gehalten und deshalb mit allen Mitteln bekämpft werden, sowieso. Wenn wir davon ausgehen, dass Gift wie Panacur und Co., die so gerne gegen Planarien empfohlen werden, für Garnelen heftige Nebenwirkungen haben können – Häutungsprobleme, Vermehrungsstopp, ... – und für viele Schnecken tödlich giftig sind, sollte man sie keinesfalls leichtfertig verwenden, sondern nur nach sorgfältiger Diagnosestellung – wenn überhaupt.
Oft geht es ja auch anders. Durch genaues Hinschauen zum Beispiel. In vielen Fällen entpuppt sich die vermeintliche Planarie nämlich als nützlicher Scheibenwurm, die Insektenlarve als Eintagsfliegenlarve und der vermeintliche Gelbrandkäfer dann doch als für den tierischen Besatz harmloser Kolbenwasserkäfer.

Eure Ulli Bauer
Ein Beitrag aus der
2025/3 caridina

